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CALL CENTER
Frustverstärker oder Problemlöser?

Wenn Ihr Telefon klingelt, die Anrufernummer unterdrückt ist und Sie gefragt werden, ob Sie z. B. gerne Schokolade essen, dann haben die Fängen eines Call-Center-Mitarbeiters nach Ihnen gegriffen. Zeit für ein paar Fragen, fünf Minuten?
Stimmen Sie zu? Schließlich muss Ihr Gesprächspartner seine paar Euro verdienen?
Dann purzeln Ihnen 30 bis 60 Fragen entgegen, wovon jede dritte eine Kontrollfrage ist. Also Vorsicht, nicht flunkern! Zu jeder Frage werden drei bis 100 Auswahlantworten angeboten, alternativ dürfen Sie auch benoten. Nach Schulnotenskala von 1 bis 5 oder, schwammiger, nach "trifft zu, trifft teilweise zu, trifft kaum zu, trifft gar nicht zu". Eine Frage wie "Glauben Sie nicht, dass ...."  so zu beantworten, dass das rauskommt, was die Interviewten meinen, stellt keine geringe intellektuelle Herausforderung dar.
Mit Ihren persönlichen Daten brauchen Sie nicht zu keusch umgehen, Ihrer Telefonnummer lässt sich leicht eine Adresse zuordnen, der dazugehörende Name ist ein Kinderspiel, ebenso das Alter. Im Internet schwirren jede Menge Daten zu Ihrer Person herum, Adressenanbietern sind Sie ein Datenpaket im Neglige.

Derzeit gibt es in Europa rund 6.000 Call Center. In Österreich betreiben Mobilkom und Telekom Austria - mit 800 bzw. 500 Arbeitsplätzen - die größten internen Call Center. Unternehmer, die kein eigenes Call Center einrichten wollen, können unter 200 externen Call Centern wählen, wohin sie ihren Telefonsupport -  Auskunft, Service-Hotline, Telefonmarketing - auslagern wollen.

Es gibt Call Center, die den gesamten Kundebeziehungsbereich (Bestellabwicklung, Rechnungslegung, Versand, Produktinformation und laufende Kundenbetreuung) ihrer Auftraggeber erledigen.

Oft werden Call Center nicht nach regionalen Gesichtspunkten sondern nach dem Preis ausgesucht. Da kann es schon vorkommen, dass ein heimischer Konsument, der eine Service-Hotline-Nummer wählt in einem irischen Call Center landet. Der Computer-Hersteller Compaq leitet sämtliche Hotline-Anfragen aus ganz Europa an ein irisches Call Center. Auch andere internationale Unternehmen lagern derartige Dienste in europäische Billiglohnländer oder sogar nach Indien aus.

 

Erfunden wurden Call Center in den USA. Sie umfassen mindestens acht Arbeitsplätze, in denen wie am Fließband telefoniert wird. Wessen Anruf in einem Call Center landet, dem werden oft starke Nerven von Nutzen sein. Auf gewisse Stichworte eines Anrufers werden vom Erfassungscomputer ("...wollen Sie zur Buchhaltung, dann sagen Sie JA!", "...wollen Sie zur Auslieferung dann drücken Sie die NULL!", ...) automatisch interne Verbindungen hergestellt, die durchaus auch falsch sein können. In immer neuen, von synthetischen Stimmen und Musik durchsetzten Warteschlaufen zappelt der Kunde wehrlos wie ein Fisch im Netz, ohne Aussicht auf Hilfe einer menschlichen Stimme. Und handelt es sich nicht um eine kostenlose Nummer, dann läuft auch noch der Gebührenzähler flott dahin.
 
Besonders schlaue Inder richten von sich aus Call-Center ein und suchen sich eine Marktnische. Get Friday www.getfriday.com sucht z. B. für gestresste englische Manager nach deren persönlichen
Vorlieben bzw. Vorgaben nach einem passenden Restaurant und nimmt die Reservation vor. Dazu müssen sie das Internet nach den Websites der Lokale und Angaben von dritter Hand (Lokalkritiken, Stadtpläne, Wegbeschreibungen, ...) durchforsten. Get Fridays Dienstleistungsangebot erstreckt sich auf alle im privaten und geschäftlichen Leben anfallenden und extern durchführbaren Vorgänge.

 

Beispiele des Dienstleistungsangebots von Call Centern:

Wobei darunter derart spezifische Leistungen enthalten sind, dass man sich fragen muss, ob man sie von einem Call Center in Anspruch nehmen möchte bzw. erwartet.

Die Kosten können sich je nach Anbieter beträchtlich unterscheiden. Pro Beratungsstunde werden 100 bis 150 Euro berechnet, Outbound-Anrufe kosten ab 5 Euro, Inbound-Call ab 1,50 Euro.

Termine für den Außendienst vereinbaren:
Dadurch bleiben den Außendienstmitarbeitern Leerwege erspart, das erhöht die Effizienz des Außendiensts und die Abschlussquote.

Kundenbetreuung:
Nach der Warenzustellung die Kundenzufriedenheit abfragen. Ehemalige Kunden ansprechen und reaktivieren.

Adressen erfassen, aktualisieren, ergänzen:
Wer ist in welcher Funktion wofür zuständig. Adressendatenbank anlegen bzw. korrigieren (Position, Titel, richtige Schreibweise des Namens)

Marktumfragen:
Konsumentenbefragung zur Produktbeurteilung, Marktumfeld, Bedarfsanalyse.

Kundenservice:
Ansprechstation bei Kundenproblemen, Support (technische Auskünfte, Anwenderunterstützung, Zustellvereinbarung, ...).

Bestellhotline:
Auftragsannahme auch außerhalb der Geschäftszeiten für Bestellungen bei Händlern bzw. für Versandhäuser

Gewinnspielunterstützung:
In TV-Spots eingeblendete Telefonnummer "Die ersten zehn Anrufer erhalten ...."

Mahnung - Zahlungsaufforderung
Persönliche Ansprache verbessert die Zahlungsbereitschaft der Schuldner.

E-Mail-Service:
Bearbeitung, Archivierung und Integration in ein bestehendes CRM-System

Online-Kundenberatung im Chat:
Textbasierte Kundenbetreuung im Internet (ev. als "Stimme" eines Avatars)

Shopping-Unterstützung, Live-Kundenservice:
Mit Hilfe spezieller Software beobachten die Call-Center-Agents, wie sich potentielle Kunden im Internet-Shop bewegen (nennt sich Co-Browsing), und greifen helfend in den Ablauf ein, wenn diese sich nicht zurecht finden bzw. "sprechen" diese an.

Rechtslage:
In Österreich ist Telefonmarketing für die Anbahnung und Abwicklung von Kundenpflege grundsätzlich erlaubt. Jedoch ist die telefonische Ansprache von Privatpersonen nur dann gestattet, wenn bereits eine Geschäftsbeziehung besteht
(TKG § 107 Abs. 3 (3) 1.) oder der Verbraucher seine Bereitschaft zur telefonischen Information ausdrücklich gegeben hat (TKG § 107 Abs. 2 (2)). Im B-to-B-Bereich dürfen per Telefon nur Waren und Dienstleistungen für den Geschäftszweck oder den betrieblichen Bedarf des angerufenen Unternehmens angeboten werden (TKG § 107 Abs. 3 (3) 2.).

Werbeanrufern ist es
verboten, ihre Rufnummer zu unterdrücken oder zu verfälschen, indem sie statt ihrer eigenen Nummer jene ihres Auftraggebers angeben (VwGH 2013/03/0052). Das stellt eine Verwaltungsübertretung dar und kann bis zu 37.000 Euro kosten.
Die
Einwilligung für Werbeanrufe muss vorher vom Gesprächspartner eingeholt worden sein. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um einen Konsumenten oder einen Unternehmer handelt. (VwGH 2013/03/0048)

Dazu ein Urteil des LG Salzburg vom 5. Jänner 2017: 4 Cg 49/15t-16


 

Eine Zustimmung zu einem "Privatanruf" kann über ein Gewinnspiel erreicht werden. Zum Beispiel mit folgender Formulierung:
 
Ich stimme zu, dass Firma XY mich telefonisch über den Gewinn verständigt und mich per Telefon kontaktiert, um mich über Produkte und Services von Firma XY zu informieren. Der Rechtsweg und Schriftverkehr sind ausgeschlossen. Die Gewinne können nicht in bar abgelöst werden.

 

Schweiz:
Am 1. April 2012 trat eine Novelle zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in Kraft. Sie enthält auch eine  Regelung betreffend Werbeanrufe an Private. Wessen Name im Telefonbuch mit einem Sternchen versehen ist, muss von Werbeanrufen verschont bleiben:
Unlauter handelt, wer

Art. 3 / u.15 den Vermerk im Telefonbuch nicht beachtet, dass ein Kunde keine Werbemitteilungen von Dritten erhalten möchte und dass seine Daten zu Zwecken der Direktwerbung nicht weitergegeben werden dürfen.

 Letzte Aktualisierung: 13. September 2013

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